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Tag 1

Hallo, mein Name ist Kia und das ist Tag 1 im #ShutdownGermany

Heute wurde für mich eingekauft, denn ich habe immer noch Atembeschwerden und verlasse das Grundstück nicht. Kind1 hat mittlerweile Fieber, nicht hoch genug für Panik, aber hoch genug für eine freiwillige häusliche Quarantäne. Ich werde wütend auf die Ärztin, die ihn in die Schule schicken wollte und schicke die Freund*innen aus dem Dorf unglücklich wieder weg.

Die Solidarität in den Sozialen Medien ist enorm, gerade mein Freund*innenkreis unterstützt sich gegenseitig sehr. Wir besprechen Vorgehen, Planungen, tauschen Ideen aus und ich entscheide ein paar Dinge für die nächste Woche.

Zum Beispiel alles abzusagen, auch die notwendigen Therapien, die ich wegen meiner Grunderkrankungen brauche. Zum Teil lässt sich das Zuhause ersetzen, zumindest für eine gewisse Zeit, zum Teil vielleicht auch auf digitale Wege verlegen. Mittlerweile hat die Gemeinde alle Öffentlichen Einrichtungen geschlossen, genauso alle Sportstätten. Die wöchentlichen Gänge zu Bibliothek, Vereinstraining, Musikunterricht, fallen also ohnehin aus. Das nimmt mir viele Entscheidungen ab und ich bin dankbar dafür. Ich bin froh, den Kindern sagen zu können: Das sehe nicht nur ich so, wir sollen wirklich nicht mehr rausgehen.

Langsam beginne ich mich an den Gedanken zu gewöhnen. Ein ganzer Monat, das ist verflucht lang, aber ich lebe in einem ziemlich großen Haus mit Balkon und Garten, in einem kleinen Dorf mit viel Platz. Wir sind nicht eingeschlossen, Kind1 hat einige Schulmaterialien, wir sind ganz gut versorgt und ich fange gar nicht erst mit Selbstvorschriften an. Mir ist das alles zu dynamisch für feste Vorsätze.

Stattdessen spielen wir Fußball im Flur, ich setze endlich die Erdbeeren ein, jammere ein bisschen über die eingegangenen Gurkensetzlinge und rette eine dicke Biene oder eine dünne Hummel. Sie hat es jedenfalls geschafft. Wir räumen auf und bringen dem kranken Kind selbstgemachte Pizza ans Bett. Ich lese viel vor und weine nur, wenn gerade keiner hinguckt, einfach, weil ich hier seit drei Wochen hocke und jetzt noch mal vier kommen.

Die Leipziger Buchmesse findet für mich im Schreibnachtforum statt und der montägliche Schreibtreff verlegt sich selbst in den Messenger. Meine Gedanken sind bei dem medizinischen Personal und der Hoffnung, sie nicht nötig zu haben, auch weil sie mir schon in normalen Situationen panische Angst machen. Ich will das nicht erleben, wenn die Kacke richtig dampft. Also passe ich auf mich und auf uns auf. Das kostet Kraft, so im Kopf. Doch heute gab es Pausen in der Sonne.

Tag 1 beende ich mit einer Folge Picard. Und Schreiben. Schreiben hilft.

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