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Tag 0

Hallo,

mein Name ist Kia und das ist Tag 0 im #ShutdownGermany

Ich wünschte, es wäre klarer, was das bedeutet. So bleibt mir nur aufzuschreiben, was das für mich bedeutet und damit fange ich einfach heute an.

Vorab: Ich bin knapp über 30, vorerkrankt, habe keine Arbeitsanstellung, zwei Kinder und lebe mit denen und meinem Mann ein bisschen abseits von einer Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen.

Mein Kind2, Kleinkind, ist bereits seit drei Wochen zuhause. Erst war es krank, dann kam die Tagesmutter in Quarantäne. Ich war also schon eine ganze Weile eingeschränkt wegen der notwendigen Kinderbetreuung, als Kind1, Grundschulkind, die ganze Nacht durchhustete und ich Atembeschwerden bekam.
An diesem Morgen, Freitag, dem 13., entschied ich also, nicht nach Frankfurt zu meiner Freundin zu fahren, um das Wochenende durchzuschreiben und mich zu betrinken. Ich schickte das Kind nicht in die Schule und rief meine Hausärztin an.

Von außen wirkt diese Praxis als würde sie die aktuelle Situation ernst nehmen. Es gab zum Beispiel kein Wartezimmer mehr. Wir sollten zuhause warten, bis wir wieder angerufen werden und dann erst losfahren. Das haben wir getan. Wir haben den halben Tag mit Warten verbracht. Am Eingang gab es Desinfektionsmittel und Mundschutz für alle drei. Dann folgte, was ich nicht begreife. Die behandelnde Ärztin – die ich nicht kannte – trug zwar eine Atemschutzmaske und Handschuhe, sprach aber ziemlich abwertend mit uns. So als würde sie unser Vorgehen belächeln. Ich äußerte keinen Verdacht, betonte aber, dass Menschen mit diesen Symptomen doch so handeln sollten wie wir das getan haben. Sie sagte, sie würde uns nicht auf das derzeit grassierende Virus testen, weil wir dann in Quarantäne müssten, bis das Ergebnis vorliege. Nun gut, ich nehme an die Tests sind begrenzt oder es gibt einen anderen Grund uns nicht zu testen. Also fragte ich nach einem Attest für das Schulkind, denn mit Husten in die Schule und die Nachmittagsbetreuung gehen, das sei doch bei der aktuellen Lage und so ganz grundsätzlich eher eine wenig gute Idee. Nun. Sie sah das anders. Kind1 mit Husten könnte ruhig sofort wieder in die Schule, und Kind2, mit Husten, gerade erst wieder halbwegs auf dem Damm, könnte auch in die Betreuung. Ob ich mich vielleicht besser erstmal von Menschen fernhalten sollte? Nein, ich sollte mir keine Gedanken machen, ich könnte alles normal machen, sollte mich aber mal ein bisschen entspannen, weil ich eben irgendeine Krankheit hätte.

Damit entließ sie uns drei aus der Praxis. Als wir zuhause ankamen (ohne Umwege, denn ich fand das Ganze schon abwegig genug), verkündete die Landesregierung gerade die vollständige Schließung der Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen für mindestens vier Wochen. Wegen Ansteckungsgefahr. Am Tag zuvor hatte die Bundesregierung bereits dringend gebeten weitgehend auf soziale Kontakte (was ein nicht korrekter Begriff ist, sie meinte wohl eher physische Begegnungen) zu verzichten.
Was also tun? Diese Ärztin hatte meinem Kind gerade gesagt, es könnte Freund*innen treffen, ich fand das eher keine gute Idee, so insgesamt, aber muss ich die Last dieser Verantwortung jetzt echt auch noch auf meinen Schultern tragen? Ich komm doch schon selten genug mit der Verantwortung für mich selbst klar, ganz zu schweigen von der für meine Kinder.

Ich muss die Wochen planen, halte die Großeltern von ihren Hilfsangeboten ab, damit sie sich bloß nicht anstecken, womit auch immer, und weiß wegen gegensätzlicher Empfehlungen nicht so richtig, wie ich mich verhalten soll. Zwischen Unter- und Überreaktion ist irgendwie… nichts.

Tag 0 beende ich mit Ablenkung durch Hörbuch.

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