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Lesende Frau.

Ich habe Fußnoten außen vor gelassen. Auf vieles kam ich selbst und trotzdem steht es schon woanders geschrieben. Es gab neue Erkenntnisse, die mir halfen. Alles, was ich zu Hilfe nahm, habe ich verlinkt.

Da saß ich, vor einer meiner eigenen Figuren, die ich umgeschrieben habe. Im ersten Entwurf des ersten Kapitels war sie ein Mann, jetzt ist sie das nicht mehr. Es hat mich ein bisschen Hirn gekostet, das zu ändern, es war nicht einfach, aber notwendig. Die Männer nahmen Überhand in der Geschichte, das wollte ich nicht, das traf zwar meine Realität, die ich gefühlt immer mehr mit Männern rumhing, aber eben nicht den Wunsch nach Ausgeglichenheit und nach Kampfgeist. Ich wollte diese Frau darin sehen, die einen Scheiß darauf gibt sich durchzusetzen. Mittlerweile könnte ich sie nicht mehr retransfigurieren. Sie ist perfekt.

Da saß ich, vor dem Fernseher, der ausgeschaltet war, darüber die Leinwand, Alan Rickman als Severus Snape, ein großartiges Bild. Es inspiriert mich oft, es lenkt mich diesmal ab. Warum ist Snape eigentlich keine Frau? Die Marauders und ihre Gegenspieler sind Männer. Warum ist Snape nicht eine Frau, die unsterblich in James verliebt war, mit Lily als Nebenbuhlerin? Die Zeit der Marauders spielt in den 70ern.

Joanne K. Rowling sagt: „I consider myself as a feminist.“
Hier die Videos zu einer Art Kurzdokumentation mit großem Interviewteil von JKR selbst, aber auch vielen Darstellerinnen weiblicher Charaktere in den Verfilmungen.


Diese Videos hatten viele Antworten auf die Fragen: Wen gibt es da so? Wer ist unabhängig, wer strotzt nicht vor Klischees oder setzt sie außer Kraft? Eine längere Recherche in der Suchmaschine meiner Wahl brachte folgende Artikel zu Tage:
6 Most Awesome Women in the Harry Potter Books and Movies
The Women of The Harry Potter Universe
Harry Potter & Women: Are Women Treated Equally in Harry Potter Stories?
Der letztegenannte Artikel hat im ersten Absatz folgenden These:

„Men are in charge everywhere; women hold secondary positions at best.“

Und jetzt sagt bloß nicht, dass sei euch beim ersten Mal aufgefallen. Es ist normal. Es macht das ganze wohl zu tatsächlicher Urban Fantasy.
Dieser Artikel war nach allem anderen tatsächlich auch der hilfreichste, besonders die Ansagen von JKR herself sollte aber niemand außer acht lassen. Sie hat’s geschrieben, sie denkt sich was.

Ich habe mir für meine Überlegungen nur die Charaktere rausgegriffen, die mir wichtig genug erschienen, die überhaupt eine Rolle spielten und bin mir dabei bewusst, dass es auch Anhangmädchen wie Pansy Parkinson gibt, die sonst keine Rolle spielen. Die habe ich ignoriert, um des Optimismus‘ Willen.

Hermione
Dass sie weder hübsch noch hässlich ist, ist ein sehr wichtiger Bonus. Wobei sie durchaus an ihrem Äußeren interessiert ist, sie wird immerhin ihre „Hasenzähne“ durch Magie los.

„You have to sacrifize something when you grow up as a girl. Hermione doesn’t. She doesn’t play the game.“

sagt JKR im Interview. Uff. Sie ist die smarte, ja. Sie behält die Nerven, sie ist mutig und unglaublich intelligent. Theoretisch wie praktisch, nicht der Bücherwurm, obwohl sie das Gerede lange genug aushalten musste um es hätte werden zu können. Und dann wird sie trotzdem nicht die große Karrieristin oder die alte einsame Jungfer, sondern kriegt den Typen ab, auf den sie steht und macht einen Haufen Kinder, weil sie will. YES!

Luna
Gibt einfach einen Scheiß drauf, was andere denken; egal ob sie es nun bemerkt oder nicht (um es nicht zu tun, ist sie eigentlich zu schlau), es macht sie echt und zu meiner liebsten Figur.

Fleur
Wunderschön UND was in der Birne. Das erinnert mich an einen Artikel über Lara Croft von @Nerdperle, der euch hiermit wärmstens ans Herz gelegt sei.

McGonagall
Immer die rechte Hand des großen Weisen, immerhin; abgesehen davon ist sie leider ein wenig mütterlich, als sie sich vor Harry stellt. Positiv betrachtet bricht sie in einen Konflikt und löst ihn mit Gewalt. Das ist geil. Sie ist es, die Snape vertreibt, nicht Harry.

Bellatrix
braucht einen männl. Konterpart um diesem lauten, irren Teil in sich einen Ausdruck zu verleihen. Hätte ich wohl nie bemerkt, wenn JKR es nicht so gesagt hätte. Bis heute war sie eigentlich DAS Beispiel in meinem Kopf für einen weiblichen starken Charakter in dieser Geschichte. Leider wurde zu ihrer Vergangenheit und ihrer Entscheidungsfindung nicht viel gesagt.

Molly
JKR sagt, ihr war wichtig, dass die Entscheidung in erster Linie für die Familie da zu sein, eine Frau nicht abwerten darf. Da hat sie schlichtweg Recht. Sie sagt, deswegen habe am Ende Molly Bellatrix getötet, die wahre Mutterliebe triumphiere über die perverse Abart von Liebe, für die Bellatrix steht. (Ich möchte diese Wortwahl „pervers“ eigentlich kommentieren, nehme aber auch hin, dass das eine sehr stringend schwarz-weiße Geschichte ist, dieses Harry Potter Ding. Also lasse ich es.) Mir persönlich geht Molly jedenfalls weiterhin auf die Nerven, bis zum bitteren Ende bleibt sie eben die Glucke. Ich mag keine Glucken. Es aber zu beschreiben gehört dazu.

Dolores
Umbridge. Selbstbezogen, sadistisch, machtsüchtig. In dem eigentlich winzigen Rahmen, den sie hat, geht sie über Leichen um ihre Macht zu bewahren. In Schubladen gedacht eine männlich konnotierte Eigenschaft. Sie ist ein fiese Sau, ja. Aber sie ist krass eigenständig. Und hat nicht diese Leidenschaft gegenüber ihrem Boss, wie sie zB Bellatrix zeigt. Feminismus at its worst 😀 (Ja, das ist Blödsinn. Jeder Mensch kann ein Arschloch sein und hier ist es eben eine Frau.)

Tonks
mein Identifikationspunkt. Ich war nie an dem Punkt, an dem ich klein geredet wurde, obwohl ich groß war. Um genau zu sein war es viel eher umgekehrt, Erwartungshaltung und so, läuft aber aufs Gleiche hinaus. Sie muss sich in der Männerwelt beweisen, ein Punkt mehr der Urban Fantasy, es unterstreicht das Problem und kritisiert es im gleichen Atemzug.

Narzissa
Oberflächlich betrachtet nur der Anhang des Strippenziehers Lucius, dann aber die, die die Entscheidung trifft und damit alle rettet, nicht nur moralisch, sondern deren Leben. Sie entscheidet sich für das Leben ihrer Familie, ohne es mit dem Mann abzusprechen und scheißt auf alle Konsequenzen. Das ist Stärke. Das hat tiefen Eindruck hinterlassen.

Ginny
Ich bin nie warm geworden mit der Original-Ginny (dafür ist sie in Fanfictions meist der Wahnsinn), sie ist diese zurückhaltende Person, die es faustdick hinter den schönen Ohren hat, auf die ich als Teenie sicher neidisch gewesen wäre. Die Sportlerin, die ich garantiert nicht abgekonnt hätte. Doch hier ist witziger Fakt: Ginny wird das erste Mal in irgendeiner Weise als „schön“ beschrieben, als Harry seine Eifersucht ihrem Freund gegenüber bemerkt. Also als er sich in sie verliebt hatte. „Die Liebe entscheidet, wen wir schön finden“. Das musste mir erst aufgehen. Das ist so… es hat nichts mit Ginny selbst zu tun. Es ist die Art Frauen zu beschreiben, viel viel über ihr Äußeres, ob es sexy ist oder hübsch oder nicht. Das fehlt in den Harry Potter einfach mal vollständig. Das hat Rowling unheimlich gut hingekriegt.

Nebenbei: Als Vaterfiguren gibt es Remus, James, Arthur und irgendwie auch Lucius, die darf ich einfach nicht ignorieren, das ist aber ziemlich dürftig im Vergleich zu Lily, Molly und Narzissa.

Als riesiger Fan beider, Severus Snape und Alan Rickman, mit viel Liebe und Demut, bleibe ich bei der Frage: Warum ist Snape keine Frau?

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