Es ist diese Frage, die immer wieder auftaucht. Die Frage, für wen. Oder gar wofür.
In den schwierigen Zeiten klingt sie trotzig und nach Aufgeben: Wozu das alles?
Warum sollte ich, warum muss ich? Dieses Buch beenden, diesen Satz schreiben, dieses Wort. Ist das meine Pflicht? Ist das der Traum?
Ich meine _der_ Traum, so wie Barney Stinson ihn benennt.
Und wenn er es ist, das stetige Sitzen, entgegen der Schmerzen im Rücken und den eingeschlafenen Händen, der Nagelbettentzündung, immer wieder neue Pflaster, weil es das Tippen nicht aushält. Wenn es das ist, wenn ich muss, weil ich gar nicht anders kann, dann bleibt das wie.
Das wie frisst das für wen nicht auf, obwohl der Mund groß genug wäre. Einfach runterschlucken. Tief in den Schlund, nie wieder zurück. Doch die Frage steht da, stoisch, undurchdringlich. Sie wird gestellt, ich stelle sie selbst, jeden Tag, jedes Wort aufs Neue.
Für wen schreibst du, Kia, weißt du das überhaupt?
Wem willst du damit etwas sagen und sag jetzt bloß nicht, allen.
Ist es das gebrochene Verhältnis zur Mutter? Schreibst du erst, seit es endlich still ist zwischen euch? Schreibst du erst, seit du selbst Mutter bist? Nein, nicht die paar Worte, die paar Gedichte, von damals, sondern immer und ganz und zu Ende. Ist es die Freiheit? Ist es Zeit? Ist es, jemand eigenes zu sein?
Oder ist es mehr? Sind es all die Menschen, die immer wieder gesagt haben, das ginge nicht? Deren Wahrheit deinem Leben so vollumfänglich widerspricht? Du kannst das nicht, das ist naiv, das schafft niemand, es hat nicht einmal etwas mit dir zu tun.
Wovon willst du leben?
Doch die Frage lautet nicht wovon, sie lautet wofür. Schreibst du für Geld, obwohl du weißt, dass da nicht viel kommen kann?
Oder für jemanden? Für wen?
Für wen schreibst du, Kia? Für dich selbst oder für die anderen?
So klingt sie wieder falsch, die Frage. Die Grenze zu ziehen, zwischen euch und mir, ist falsch. Die Antwort liegt doch schon dazwischen. In Verständnis, in den richtigen Worten.
Richtige Worte anstatt einer falschen Frage.
Wenn ich schreibe, schreibe ich. Die Stimme in meinem Hinterkopf, manchmal zu hören und viel öfter schweigend, korrigiert meine Worte zu anderen, zu denen, die ihr versteht. Ich muss doch nicht nur schreiben. Es kann keine Pflicht sein fünfzigtausend Mal ein Wort hinter das andere zu setzen ohne den Sinn, ohne Grammatik, nur Copy-Paste, fünfzigtausend Mal und und und und und und und.
Das ist es nicht. Es müssen Sätze werden, Absätze, Seiten, Geschichten. Erst das macht Text, nicht wahr? Schreiben und gelesen werden. Erst von mir, dann von dir, dann von mehr.
Die Grundlage ist das erste Mal, die ersten Worte, egal, ob sich hinterher herausstellt, dass es die falschen waren. Die ersten Worte müssen raus, die Gedanken in irgendeine Form gepresst werden. Danach können wir feilen, gerne gemeinsam, herausfinden, was ich ändern muss, damit es ankommt, wie es soll.
Die verrückte Muse, nachts und die schmerzenden Hände, tags. Sie sind da, die Disziplin und die Schreibwut. Und wenn sie ganz auf die Welt gekommen sind, blutig, verrotzt, müde. Dann feilen wir.
Immer mit der Frage. Für wen eigentlich? Für mich, weil ich muss? Für euch, weil ihr unbedingt verstehen müsst?
Ich schreibe. Für alle. Nicht für jeden einzelnen, aber für jeden, der möchte. Nicht bewusst möchte, sondern verstehen möchte. Ich schreibe jeden Tag. Fast. So wie fast alles verständlich werden kann.
Für mich, für euch, für den Text und was er sagen kann.
Für jetzt. Für damals. Für dann.