Nun gut, nicht ganz. Ich kann drei Jahre abziehen. Die Jahre im Rathaus, die mit dem festen Job und die mit kleinem Kind. Da war ich die längste Zeit nicht einmal eingeschrieben.
Bleiben immer noch zwölf Semester. Zwölf Semester an vier Universitäten. Zwei in Greifswald, vier in Marburg, zwei in Frankfurt, vier in Hagen.
Ich habe Germanistik studiert und Philosophie. Und wie man das am Anfang so macht, sogar ziemlich intensiv, wenn auch nicht lange. Es war ein Anfang. Ein Schnuppern. Kaum mehr. Vor allem war es eine Ecke weg von Zuhause. Das war irgendwie auch wichtig, damals.
Dann Europäische Literatur. Dieses abgefahren unorganisierte Fach, das es gar nicht so oft gibt. Das ich geliebt habe. Und ein bisschen gehasst. Aber nie genug gehasst. Wenn ich an etwas wehmütig zurückdenke, das mit meine Studium zu tun hat, dann daran. Nicht an die Studentenbude, nicht einmal unbedingt an die Stadt. Es waren die Uni und die Leute da. An die Zeit in Marburg habe ich die meisten, die besten und die intensivsten Erinnerungen. Nicht zuletzt liegt das an den Herzmädchen, die ich da gefunden – und behalten habe. <3
In Frankfurt haben die Germanisten mich nicht haben wollen. Selbst nach zwei Universitäten griff der Numerus Clausus noch. Also fing ich Empirische Sprachwissenschaften an, Geschichte und Religionswissenschaft. Und packte nicht einmal ein volles Semester, bevor mein erstes Kind auf die Welt kam und ich eine lange Pause einlegte.
Erst nach dem Rathaus und mit der Krankheit verschlug es mich nach Hagen. Ich mag das Konzept immer noch. Eine Fernuniversität. Ich konnte im Dorf wohnen, ohne lange Anfahrtszeiten. Und das interdisziplinäre daran. Kulturwissenschaft mit verschiedenen Schwerpunkten. Kiloweise Materialien lagern hier, die meisten habe ich sogar gelesen. Eigentlich war es perfekt. Aber es funktionierte nur eine Weile lang, als es mir trotz Krankheit gut ging, der Alltag fest war Doch auch da entschied ich mich im Zweifel gegen das Lernen und für das Schreiben. Statt Geschichte zu pauken noch tausend Wörter mehr. In meinem ersten Hagener Semester schrieb ich zwei Bücher und sagte die Klausur spontan ab.
Eine Weile habe ich das gemacht, mir die Unterlagen angesehen, aber keine Prüfungen abgelegt. _Studentin_ im eigentlich Sinne bin ich schon lange nicht mehr. Meistens lese ich etwas anderes und schreibe meine eigenen Dinge.
Dabei vermisse ich die Uni. Mir fehlt die Marburger Fakultät, das Windpfeifen, der Automatenkaffee und die Busfahrten. Die Freundinnen und stundenlanges Lernen in der Mensa. Mir fehlt das Nachtpauken vor der Klausur, das Verstehen, das man nur hat, wenn es intensiv ist, viel und lang und ganz.
Weder die Dachgeschosswohnungen, noch der Campus in Frankfurt fehlt mir. Das Kopieren kann mir gestohlen bleiben, anmaßende Hiwis und genervte Lehrende. Die guten vermisse ich. Den einen Dozenten, der für seine Vorlesung Stehende Ovationen bekam.
Aber das Studium als solches? Ich wusste einfach nie, wohin damit. Als ich mein Abitur gemacht habe – gerade so, aber mit vollem Einsatz, zumindest in den letzten paar Tagen – da war das für die Uni. Nicht fürs Leben, nicht für mich selbst. Ich wollte studieren, unbedingt. Und dann studierte ich – um zu studieren. Ich liebte es und liebe es noch. Doch es brachte mich nicht an den Punkt, zu dem ich möchte. Ganz besonders: Nicht so schnell. In dreieinhalb Jahren Rathaus habe ich mehr gelernt als in Schule und Studium zusammengenommen. Es ist toll, das akademische Leben, keine Frage, aber ich wollte es nicht nebenbei führen, nur aus Jux. Dafür war es zu anstrengend und brauchte zu viel Zeit. Vielleicht hatte ich genug.
Um meinen Bachelor abzuschließen, bräuchte ich vermutlich immer noch fünfeinhalb Jahre. Teilzeit halt. Die meisten Kurse wurden nicht anerkannt. Doch ich mag nicht mehr. Ich mag nicht mal mehr auf dem Papier Studentin sein.
Eine Ära geht zu Ende. Denke ich. Zumindest habe ich mich mal wieder exmatrikuliert. Zum vierten Mal. Kurz vor der Geburt meines zweiten Kindes. Und mit ein paar anderen Ideen, was ich in meinem Leben noch so anstellen möchte.