Zum Inhalt

Elixier.

Neil Gaiman sagt.

Text ursprünglich hierher, Bearbeitung hier.

Schreiben ist ja irgendwie so eine Sache.

Ich bin vor ein paar Jahren einer Frau in einem Discounter begegnet, die mich mit meinem zweiten Vornamen ansprach. Gruselige Sache. Sie sagte, es tue ihr leid, wenn sie mich verwirre und mir zu nahe komme, aber sie habe mich sofort erkannt. Wir hätten uns das letzte Mal gesehen, da war ich drei oder vier Jahre alt. Sie war die Leiterin der Kinderturngruppe und ich war die kleine Geschichtenerzählerin.
Es wäre also vielleicht nicht ganz die Wahrheit, wenn ich sagte, ich hätte angefangen zu schreiben, als ich die Buchstaben gelernt hatte. Es war vielleicht früher.

Richtig bewusst fiktional und lyrisch schreibe ich jetzt seit 15 Jahren.
Fertig geworden bin ich nie mit irgendwas. Natürlich sind da die Gedichte, die mal veröffentlicht wurden, von denen es Lesungsaufnahmen gibt, das hat schon irgendwie einen fertigen Charakter. Ich habe aber gerade erst dieses Jahr an einem rumgebastelt, das Ewigkeiten als “fertig” abgestempelt in seinem Ordner rumlag. Es geriet mir irgendwie vor die Nase und ich wollte etwas daran ändern.
Bei den größeren Projekten kam nie etwas in diesen Ordner. Alles nur Entwürfe, Inhaltsangaben, Textfetzen, ganze Kapitel, deren Geschichte irgendwie kein gutes Ende fand oder keinen Anfang hatte. Es gab Ideen, die noch nicht mal als “Idee” ihre Buchstabenform gefunden haben und weiterhin in meinem Kopf rumspucken.

Letzte Woche habe ich wieder mit so etwas angefangen. Eine Sache, die in allen Formen um mich rum ist, die das große Ganze sein könnte, wie so vieles anderes es vorher auch mal war. Seit einem nicht näher definierten Moment bin ich besessen. Ich schreibe und schreibe, lenke mich ab, lasse mich ablenken, werde frustriert, und glückselig, wenn etwas funktioniert, wenn eine neue blendende Idee auftaucht.
Ich würde gern mal etwas fertig kriegen, ich würde gerne DAS fertig kriegen. Aber meine Zukunft, mein Selbstbild, mein Seelenheil hängt nicht davon ab. Ich genieße nur zu Schreiben, entnervt eine rauchen zu gehen, oder eine Schachtel, vor Lachen weinend einen gelungenen Satz immer wieder zu lesen, vielleicht sogar zu posten und die Rückmeldung meiner Betaleserin (*), der ich gar nicht genug danken kann.

Schreiben kann alles sein. Es hat viel Unglück ausgedrückt, viel Verzweiflung, viel sichtbar gemacht und viel Verdrängung und Verarbeitung ermöglicht. Schreiben kann Narben öffnen, kann frei machen, kann deprimieren und zerstören.

Schreiben ist wie Musik. Schreiben ist Leben. Schreiben ist Schweiß und Atmen.

(*) Ich danke meinen Betaleser*innen sowieso immer, allen, immer wieder. Das sind verschiedene, diesmal habe ich meine Wahl für das erste Lesen sehr bewusst getroffen. Ich hoffe, dass alle anderen, die eingeplant sind für die nächsten Durchläufe, auch zustimmen den ganzen Kram durchzugehen.

Published inJournal