Hallo, mein Name ist Kia und es ist Tag 69 in der Pandemie.
Heute ist sogar wieder Pandemie-Feeling. Nicht, weil ich auch nur ansatzweise in der Öffentlichkeit gewesen wäre. Ich habe heute nicht einmal das Grundstück verlassen. Aber gestern wurde mir über die Hecke mitgeteilt, dass die Kitas in NRW wieder voll öffnen sollen. Da dachte ich mir heute, in Ordnung, sehe ich mal wieder Nachrichten. Einmal. Und muss dann mühevoll wieder umschalten. Auf einen Alltag mit zwei Kindern. Auf Verantwortung.
Ich glaubte, als Teenager haben mir grausige Dauernachrichten weniger ausgemacht. Aber eigentlich stimmt das gar nicht. Ich denke nicht einmal an den Tag von 9/11, sondern an das, was für mich daraus folgte. Immer mehr Kriege und immer mehr Kontrolle. Ich weiß noch genau, wie hilflos ich mich fühlte als ich mit Klassenkameradinnen über Überwachung diskutieren musste. Es wurde dauerhaft, Terror als Gedanke in westlichen Köpfen wie meinem. Selbst mit Privilegien wie meinen, blieb das Thema. Immer. Es ist nur vergleichbar in seiner Unvergleichbarkeit, für jemanden, der gefühlt ganz weit weg von allem war und dann feststellen musste, sie ist es doch nicht. Es wirkt sich alles aus. Aber früher musste ich nicht wieder umschalten. Ich konnte mich eine ganze Weile suhlen und schlecht fühlen oder durchdrehen. Heute muss ich im Blick haben, dass die Kinder was Gesundes essen und genug Schlaf kriegen und genug Bewegung und genug Aufmerksamkeit. Ich muss nebenbei zusehen, dass ich zumindest ein bisschen arbeite und ob ich waschen muss und wann wieder Schultag ist.
Jeden Tag Nachrichten zu sehen würde mich irre machen. Mein Kopf ist schon voll genug.
Heute beende ich den Abend mit Gymnastik und einem Hörbuch.
Passt auf euch auf und gute Nacht.