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Tag 19

Hallo, mein Name ist Kia und das ist Tag 19 im ShutDownGermany.

Mittlerweile schreibe ich tagsüber so viel, dass ich abends gar nicht mehr weiß, was ich wann zu Papier gebracht habe. Nur im Manuskript, da habe ich endlich wieder den Überblick. Der Rest kommt mir wirr vor, weil er so widersprüchlich ist und sich damit immer weiter verstärkt. Ambivalenz ließ sich wohl nie besser beschreiben als mit dem Gefühl zu Beginn einer Pandemie. Denn da stehen wir, richtig? Ganz am Anfang. Trotzdem ist es schon so lange, eine Geduldsprobe, und ich denke darüber nach, was ich für später tun kann. Was kann ich jetzt tun, damit es hinterher besser ist? Dem liebsten Schreibcafé einen Gutschein abkaufen, damit es die zeit übersteht und ich hinterher wieder bei der wunderbar verpeilten Bedienung meinen heißen Apfelsaft trinken kann. Ein bisschen früher beim Optiker bestellen. Zu Hause bleiben. Zu Hause bleiben. Zu Hause bleiben. Das mit der Mutterschaft, die in den paar Tagen so viel mehr geworden ist, irgendwie nicht total vergeigen. Und zu Hause bleiben. Und zu Hause bleiben. Zu Hause bleiben. Meine Haushaltsmitglieder umarmen und sonst niemanden. Wichtige Menschen anrufen. Und zu Hause bleiben.

Das ist eine Zeit für jetzt sofort, denn die Gemeinschaft ist wunderbar und die Ruhe ist wunderbar. Und es ist eine Zeit ausschließlich für danach, denn nur deswegen tun wir das überhaupt. Es ist nur das eine und beides und meine Gedanken zerschmelzen zu einem Knoten, der nicht zu mehr fähig ist als vor dem Kamin zu sitzen und zu starren.

Es ist kalt und heute beginnt der Schreibmonat April. Ich möchte jeden Tag schreiben. Ich schreibe mehr, seit ich die Schreibgruppe in Köln nicht mehr jede Woche sehe und dafür jeden Tag mit ihnen spreche. Es ist kalt und ich lese jeden Tag, lese Bücher weiter, die ich seit fast einem Jahr nicht angesehen habe. Ich lese viel mehr, seit ich nicht mehr jede Woche in der Bibliothek bin. Es ist kalt und ich bin jeden Tag draußen, gehe spazieren, durch die kleinen Wälder um mich herum und bin im Garten und mache fast vorbildlich täglich meine Gymnastik, ohne die meine Muskulatur rumspinnt. Ich bewege mich so viel, seit ich nicht mehr dreimal die Woche zum Sport gehen kann. Laufen, hin und zurück, und Krafttraining.

Trotzdem ist da Angst, was kommt, wie lange das so geht, was es alles ändert, an meinem Alltag, an meinem Geist, an meiner Familie, an der Welt und ob es euch allen da draußen gut geht, ob ihr genauso viel Solidarität erfahrt, ob ihr Menschen habt, auf irgendeine Weise, mit denen ihr gemeinsam existiert. Ich denke an mein Glück.

Und ich beende meinen Abend mit einem der schlechtesten Filme aller Zeiten und dem üblichen Hörbuch. (Teil 3 hat gerade angefangen.)

Passt auf euch auf und gute Nacht.

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