Hallo, mein Name ist Kia und das ist Tag 299 in der Pandemie.
Jeden Tag frage ich mich, wer ich bin und wer ich sein will. Was kann ich sagen und was davon möchte ich sagen und gibt es vielleicht etwas, dass ich sagen möchte, aber noch nicht kann? In fünfzehn Minuten sind es 300 Tage seit den ersten Schulschließungen in NRW und ich steh halt auf runde Zahlen. Wahnsinn, dass die Lockdowns gezählt werden. Dass ihre Härte beziffert wird. Dass wir immer noch leben. Minus die über eine Millionen Menschen weltweit, die eben schon gestorben sind. Menschen mit einem Leben, mit anderen Menschen in ihrem Leben. Pandemie ist scheiße.
Seit heute ist mein Landkreis der Hotspot des Bundeslandes. Ich sehe mich um und bringe viel Verständnis für die Müdigkeit auf, die viele erfasst. Ich habe Verständnis für die Sehnsucht nach Nähe. Alle wägen sie ab. Ich wäge ab. Manche schaffen mehr, manche weniger Lockdown, und sehr offensichtlich reicht nicht aus, was sie, was wir alle schaffen. Doch sich deswegen gegenseitig fertigzumachen bringt uns eben auch nicht weiter, treibt uns nur weiter auseinander, aber nicht die Gruppen, die sich unbedingt treffen wollen.
Die Kinder spielen im Schnee und es ist schwer ihnen nicht zuzugestehen, anderen Kindern näher als zwei Meter zu kommen, wenn der große Schneeball gemeinsam gerollt werden soll. Es ist auch schwer der Freundin von weitem zu winken. Maske tragen fällt mir nicht schwer. Aber anderen offensichtlich. Ja, wir sind unterschiedlich, und die Kommunikation der Verantwortlichen für den Umgang damit ist katastrophal. Ich weiß nicht, ob ich es besser machen könnte.
An anderer Stelle drücke ich mich ganz gut aus, glaube ich. Deswegen habe ich eine andere Art Text geschrieben als sonst, zehn Monate lang daran gearbeitet und die acht Minuten dann vorgelesen. Zu sehen hier (Link zu Instagram). Schreiben tue ich immer noch gern. Auch nachdem mal etwas geklappt und das andere nicht geklappt hat. Auf und ab, dieses Leben, die ganze Zeit. In der Pandemie fühlt sich das nur viel intensiver an. Also schreibe ich auch darüber.
Die Tage sind anstrengend. Den Abend habe ich mit Weinen, Badewanne und Hörbuch verbracht.
Passt auf euch auf.