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Es bleiben vierzehn Stunden.

Wenn du mit einem Kind zusammenlebst und es Vollzeit professionell betreut wird, bleiben vierzehn Stunden jeden Tag, die du die Carearbeit leisten musst. Nur die für das Kind. Für nur eins. Jeden Tag. Dazu kommen mehr Tage, an denen die Betreuungseinrichtungen geschlossen sind, als Menschen mit normalen Lohnjobs Urlaubstage haben. Dazu kommen auch die Krankheitstage des Kindes – also im Durchschnitt einige Tage alle zwei Wochen in den ersten drei Jahren.
Selbst professionell betreut ist man als Mensch mit Kind oft 24/7 erreichbar. Falls was ist. Und hat nachts Bereitschaft. Immer.

In der professionellen Betreuung lernt das Kind den Umgang mit vielen Kindern mit unterschiedlichen Hintergründen. Das geht nirgends so gut wie dort, weder zu Hause, noch im dörflichen Verbund. Es lernt in einem begrenzten, sicheren Rahmen, ohne die Eltern zu sein. Es gewinnt an Bezugspersonen außerhalb der Familie. Das sind wichtige Vorbereitungen auf unsere Schulen. Und alles andere, was ohne Familienverbund passiert. Das Leben halt.

Mit Vollzeitbetreuung besteht für viele Familien die Chance auf eine gute und intensive Familienzeit um diese Betreuungszeiten drumherum. Für Paare Paarzeit, zumindest mal ein Tag im Jahr. Wenige Stunden ein bisschen Selfcare – aber auch da immer das Handy in Hörweite, denn die Betreuung wird anrufen, wenn es über ein Pflaster hinausgehen muss.

Betreuung heißt meist Einbeziehung der Erziehungsberechtigten. Elternabende, Ausflüge, Erziehungsgespräche, regelmäßig. Professionelle Betreuung ist fast nie mit “abgeben” getan.

Ein Kind zu erziehen, im selben Haus wie man selbst lebt, das sind drei Vollzeitjobs. Nur das Kind. Das eine. Dazu kommt ein Haushalt – meistens hängt beides zusammen an derselben Person, meistens immer noch der Frau. Im schwierigsten Fall einer alleinerziehenden Frau. Dazu kommt dann ggf. noch ein Job. Ob der dann Vollzeit ist, ist für diese Rechnung da kaum mehr wichtig, denn über 24 Stunden am Tag sind wir ja längst hinaus.

Wenn man diese Erfahrung nicht hat, kann man fragen. Und, wenn man eine oder mehrere relevante Erfahrungen hat, kann man davon ausgehen, dass es noch mehr gibt.

Natürlich können Eltern ihrem Kind eine erfüllte Zeit bieten, ohne professionelle Betreuung. Ich halte das für sehr viel aufwändiger, aber jedes Lebensmodell kann gleichwertig nebeneinander stehen. Soweit sollten wir sein. Wir wissen, andere Kinder sind wichtig, mehrere Bezugspersonen sind wichtig. Wie, in welchem Umfang, in welchem Rahmen – das bleibt den Eltern. Deswegen “Erziehungsberechtigte”. Niemand davon ist ein schlechtes Elternteil.
Liebt eure Kinder. Sagt ihnen das. Und findet gemeinsam mit allen in eurer (selbstgewählten) Familie heraus, wie das für euch am besten funktioniert.

(Ja, mir ist bewusst, dass ich hier in erster Linie eine Bresche für professionelle Vollzeitbetreuung schlage. Nehmt es als persönliche Färbung.)

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